Wealth Management: 8300 Seemeilen für die Umwelt

Über Boote, Kunststoffe und ein Leben abseits der üblichen Bahnen

Interview mit David Mayer de Rothschild, Gründer von Voice for Nature, voicefornature.com - geführt von Julia Bergman, Investment Insights & Marketing Spezialistin, Rothschild&Co

David Mayer de Rothschild erläutert, wie sich seiner Ansicht nach die Haltung gegenüber der Umwelt im vergangenen Jahrzehnt verändert hat.

 

Im März 2010 setzte eine Gruppe von Forschern und Umweltaktivisten unter der Leitung von David Mayer de Rothschild die Segel auf einem 60 Fuß großen und aus 12.500 recycelten Kunststoffflaschen bestehenden Katamaran – mit dem passenden Namen Plastiki. Sie ließen die Küste von San Francisco hinter sich und steuerten gen Westen bis zum Horizont und noch weiter. Im Juli desselben Jahres fuhren die Plastiki und ihre Besatzung nach einer viermonatigen Reise über 8.300 Seemeilen sicher in den Hafen von Sydney ein. Heute, zehn Jahre später, erläutert David Mayer de Rothschild, wo die Umweltbewegung seiner Meinung nach heute steht und was es wirklich bedeutet ein Forscher zu sein.

Im Jahr 2010 leiteten Sie die Expedition auf der Plastiki. Ist die Welt heute, 10 Jahre später, beim Umgang mit Plastikmüll so weit gekommen, wie Sie es sich erhofft haben?

Als wir vor 10 Jahren die Segel setzten (siehe hierzu die Karte auf Abb. 2), war Plastikmüll in den Meeren noch ein ganz neues Problem. Das Bewusstsein für den schädlichen Effekt, den unsere toxische Liebesbeziehung zu Kunststoff auf der Erde anrichtet, war zu diesem Zeitpunkt deutlich weniger verbreitet (Abbildung 1). Im Laufe der Zeit haben wir gesehen, dass Umweltkampagnen von Medien, Unternehmen und Privatpersonen das Bewusstsein für dieses Problem enorm vergrößert haben. Allerdings darf man sich trotzdem nicht ausschließlich auf die Schlagzeilen verlassen. Damit wir unsere Abhängigkeit von diesen Materialien verringern können, sind Maßnahmen in der realen Welt erforderlich. Trotz all des Willens Gewohnheiten zu verändern, bleibt ein fehlerhaftes System, das auf dem Wegwerfprinzip aufgebaut ist. Der Gebrauch von Einwegverpackungen - und das betrifft nicht nur Kunststoffe - ist in unserem alltäglichen Leben tief verwurzelt. Das macht es sehr schwierig einen solchen Kreislauf zu durchbrechen.
Trotzdem müssen wir davon ausgehen, dass ein neuer Weg möglich ist. Ich meine, wir sehen zurzeit eine Veränderung in den Gewohnheiten der Menschen. Auch die Erforschung neuer Möglichkeiten Dinge anzugehen, andere Materialien zu verwenden oder neue Wege bei der Gestaltung, Entsorgung und Wiederverwertung von Materialien zu beschreiten, sind von grundlegender Bedeutung. In den letzten 10 Jahren haben wir zwar schon gewisse Fortschritte erzielt, aber vor uns liegt noch ein langer Weg. Entscheidend ist, die aktuelle Dynamik aufrechtzuerhalten. Jetzt ist es an der Zeit, dass wir unsere Anstrengungen intensivieren, um die richtigen Führungspersönlichkeiten in Wirtschaft und Politik zu finden, die ihrerseits neue Gesetze erlassen, Innovationen vorantreiben und den einmaligen Gebrauch bestimmter schädlicher Kunststoffe verbieten.

Aktuell ist viel davon die Rede, dass sich durch die globale Pandemie 2020 die Gewohnheiten der Verbraucher geändert haben. Glauben Sie, dass das letzte Jahr das Verbraucherverhalten so beeinflusst hat, dass es sich auf die Umweltbewegung auswirken könnte?

2020 wird als außerordentliches Jahr in die Geschichte eingehen – wohl kaum jemand hätte sich vorstellen können, was passiert ist und noch weiter geschieht. Nach wie vor ist unklar, welchen Effekt die Pandemie auf die Menschen und auf den Planeten haben wird. Der Schock hat uns auf gewisse Weise der natürlichen Welt wieder näher gebracht. Wenn wir weiter auf diesem Planeten leben wollen, müssen wir unsere Lebensweise auf unsere natürliche Umgebung abstimmen. Ohne gesundes Ökosystem werden wir uns als Spezies nicht behaupten können.
Die Pandemie hat unsere Verletzlichkeit deutlich gemacht und wir sehen nun, wie abhängig wir voneinander sind. Unsere Mobilität und unser Lebensstil haben auch dazu beigetragen, dass sich das COVID-19-Virus auf der ganzen Welt so stark ausbreiten konnte. Doch ich bin zuversichtlich, dass wir wiederstandfähig sind und neue Systeme finden werden, um uns anzupassen. Die moderne Wissenschaft hat bewiesen, dass die Nebenwirkungen der Pandemie mit ihrer Hilfe eingedämmt werden können. Viele Berichte, die sich mit Umweltschäden beschäftigen, beschreiben all die Symptome, die während der COVID-19-Pandemie zu Tage getreten sind. Wenn hieraus irgendetwas Positives entstehen sollte, wird es die Erkenntnis sein, dass wir gesunde, belastbare Ökosysteme brauchen, um das Leben auf diesem Planeten, so wie wir es kennen, zu erhalten.

Für die Umweltbewegung war 2019 ein erfolgreiches Jahr, zum Teil auch dank der globalen Proteste unter der Führung engagierter junger Aktivisten wie Greta Thunberg. Wie hat sich die Pandemie auf diese Bewegung ausgewirkt?

Für die einstmals fragmentierte Umweltbewegung war 2019 ein bahnbrechendes Jahr, weil sie durch Stimmen wie Greta Thunberg näher zusammengerückt ist. Greta Thunberg ist eine unglaublich redegewandte, starke junge Frau und hat der Welt gezeigt, dass es auf jeden Einzelnen ankommt und jeder sich für das, was richtig ist, einsetzen muss. Auch wenn die Pandemie 2020 den Demonstrationen in den Straßen erst einmal ein Ende setzte, hat sich die Umweltbewegung hierdurch besser organisieren können. Eine deutlich tiefere und zunehmend digitale Bewegung gewinnt zurzeit an Dynamik und spricht Teile der Gesellschaft an, die in der Vergangenheit vielleicht nicht erreicht wurden.
Ich sehe mit großer Begeisterung, was in den letzten Jahren aus der Umweltbewegung entstanden ist. Weltweit setzen sich neue Leader allmählich für ökologische Nachhaltigkeit ein, sei es in der Wirtschaft oder in der Politik. Wir brauchen Menschen wie Greta Thunberg, die als Hoffnungsträger fungieren. Sie hatte und hat enormen Einfluss auf die nächste Generation und wir werden bald sehen, dass sich dies in den kommenden Jahren durchsetzen wird.

Sie sind immer noch der jüngste Mensch, der je an beidem geografischen Polen gewesen ist – warum haben Sie diese Reise unternommen und wie hat sich der Begriff der Erforschung in der modernen Welt verändert?

In der heutigen Kultur besteht meiner Ansicht nach ein Missverständnis was es heißt ein Forscher zu sein. Es herrscht die Meinung vor, dass es beim Erforschen um das Erobern der Natur geht. Für mich aber bedeutet erforschen, die Natur zu verstehen und Zeit in der Natur zu verbringen. Rekorde aufzustellen schmeichelt dem Ego, aber Rekorde sind unwichtig. Wichtig ist dagegen – wenn man das Glück dazu hat – in die Natur hinauszugehen und Geschichten davon zu erzählen, die uns helfen, die Natur besser zu verstehen.
Statt der Schnellste oder der Erste zu sein, geht es bei einem Forscher meines Erachtens darum der Langsamste zu sein und sich Zeit zu nehmen, um zu begreifen wie unsere natürlichen Systeme funktionieren, wo unser Platz in diesen Systemen ist und wie andere auf diese Ökosysteme aufmerksam gemacht werden können.
Wir leben in einem goldenen Zeitalter der Erforschung. Wir verfügen über Instrumente und Geräte, mit denen wir die Welt wie niemals zuvor betrachten können. Wir können dann die Informationen über das, was ich als ‚Waffen der Massenverteilung‘ bezeichne, weitergeben: über das Internet, über unsere Telefone und über Gemeinschaften auf der ganzen Welt. Wir haben heute eine stark vernetzte Generation, die diese Informationen aufnimmt und mit ihren Geräten die Dinge fördert, die wichtig für sie sind.
Als Forscher ist es unser primäres Ziel, Botschafter für die natürliche Welt zu sein, inspirierende Geschichten auf kreative Art und Weise zu erzählen, die Menschen verbinden und zurück an diese Orte bringen, damit sie am Ende zu deren Schutz beitragen wollen. Das führt uns wieder zurück zum Anfang, denn dies war das Ziel des Projekts Plastiki. In einer zunehmend vernetzten Welt sind den Bürgern Umweltprobleme und die Notwendigkeit Maßnahmen zu ergreifen, bewusster als je zuvor. In diesem Sinne ist es spannender als jemals zuvor ein Forscher in der Welt von heute zu sein!

 

Was steht für die Plastiki als nächstes an?

Die Plastiki wird im späteren Verlauf dieses Jahres aus ihrem Vorruhestand zurückkehren, denn wir wollen sie bei der UN-Klimakonferenz 2021 in Glasgow im November präsentieren. Im Anschluss folgt eine Tour in Großbritannien, bei der die Plastiki das Bewusstsein weiter verbessern und Lösungen in den Vordergrund stellen soll, mit denen sich der Plastikmüll in den Weltmeeren bewältigen lässt.

Zugehörige Dateien

Laden Sie das vollständige PDF (199KB)

 

Wichtige Informationen

Back to top