Sommer-Blues

Vorwort

Der August war für Aktien und Anleihen kein besonders erfreulicher Monat. Zum Monatsende erholten sich die Kurse zwar ein wenig, aber grundsätzlich war nicht nur das Wetter ein Reinfall.

Der Hauptgrund dafür war ein weiterer Anstieg der Zinssätze, diesmal in den längeren Laufzeiten: Die Erwartungen über die Entwicklung der Leitzinsen haben sich kaum verändert (und könnten Anfang des Jahres ihren Höhepunkt erreicht haben). Die Renditekurven sind immer noch invertiert - die langfristigen Zinssätze sind niedriger als die kurzfristigen Zinssätze, wenn auch etwas weniger als früher. Das «Zinsplateau», von dem wir sprachen, hat sich weiter in die Zukunft verlagert. Ein Kollege sagte kürzlich, dass die Frage jetzt nicht mehr «wie hoch?» lautet, sondern «wie lange?».

Wir versuchen, immer möglichst aufgeschlossen zu denken. Die öffentlich geäusserten Weisheiten zum Thema Konjunktur gingen in letzter Zeit stark in eine Richtung, und wir dürfen nicht vergessen, dass das uns das Wachstum - und damit auch die Zinssätze - mit Aufwärtsbewegungen überraschen können. Es ist sogar möglich, dass sich die letzten beiden Jahre als Generalprobe für ein wichtiges inflationäres Ereignis erweisen, das noch vor uns liegt. Dennoch sind wir der Meinung, dass das derzeitige Niveau der kurz- und langfristigen Zinssätze im Grossen und Ganzen angemessen ist - und  dass die Aktien letztendlich damit leben können.

Die Rentabilität der Unternehmen entwickelt sich weiterhin auf einem historisch gesunden Niveau, wie wir weiter unten erläutern werden. Die Bewertungen sind nicht überzogen, und obwohl die Aktien deutlich über ihren Tiefstständen von 2022 liegen, sind wir der Meinung, dass der Zug des Konjunkturzyklus noch nicht abgefahren ist.

Wir sind ferner der Meinung, dass Staatsanleihen zum ersten Mal seit Jahren Aussichten auf realen Vermögenserhalt bieten - auch wenn die Renditen natürlich noch eine gewisse Zeit über ihr «altes normales» Niveau hinausschiessen könnten. In unserem Inflationsupdate bekräftigen wir unsere seit langem vertretene Ansicht, dass die Kerninflation auch weiterhin abwärts tendiert - wenn auch nur leicht. Trotzdem denken wir, dass Aktien im Vorteil sind.

Kevin Gardiner/Victor Balfour/Anthony Abrahamian
Globale Anlagestrategen

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Sommer-Blues

Rückkehr zur «alten Normalität»

Die weltweiten Aktienkurse sind in der ersten Augusthälfte um 5% (in USD) gesunken und haben damit ihre Gewinne aus dem Jahr 2023 wieder abgegeben. Auch die Anleihenmärkte wurden in Mitleidenschaft gezogen: Die 10-jährige US-Staatsanleihe ist auf das Niveau vor der Weltwirtschaftskrise zurückgekehrt und hat die nominalen Renditen für das laufende Jahr das zweite Jahr in Folge in den negativen Bereich gedrückt.

Es waren die realen Renditen, nicht die Inflationserwartungen, die sich - wie im Jahr 2022 - nach oben bewegten. Bemerkenswerterweise hat der stärkste Anstieg der Verbraucherpreise seit etwa 40 Jahren weiterhin kaum nachhaltige Auswirkungen auf die in Anleihen eingepreiste Breakeven-Inflation für das kommende Jahrzehnt, die nur geringfügig über dem Niveau vom Ende des Jahres 2020 liegt. Stattdessen fand eine Neubewertung der Richtung der Realzinsen statt, die zur Eindämmung der Krise als notwendig erachtet werden.

Die realen 10-Jahres-Renditen in den USA (Abbildung 1) und im Vereinigten Königreich liegen, wenn wir die unterschiedliche Inflationsbenchmark (RPI) berücksichtigen, jetzt bei fast 2% (nach negativen 1% Ende 2020). Das liegt nahe an dem, was wir für die wahrscheinlichen Trendwachstumsraten des BIP der beiden Volkswirtschaften halten, und hat die nominalen Renditen weiter in den Bereich getrieben, den wir als die «alte Normalität» bezeichnen (4-5%). Die realen Renditen der 10-jährigen deutschen und französischen Staatsanleihen sind in letzter Zeit jedoch weniger stark gestiegen und liegen weiterhin fast einen Prozentpunkt unter dem wahrscheinlichen Trendwachstum der Eurozone. Hier haben die nominalen Renditen das «alte normale» Niveau (3-4%) noch nicht überzeugend wieder erreicht.

Die jüngsten Bewegungen kamen gleichzeitig mit der Nachricht, dass die Volkswirtschaften (wieder einmal) nicht so anfällig sind wie befürchtet, trotz der anhaltenden Schwäche bei den «weichen» Umfragedaten (hier könnte das schlechte Sommerwetter in weiten Teilen Europas vor allem den Dienstleistungsbereich beeinträchtigen).

 

10-JÄHRIGE US-ANLEIHE (AUFGESCHLÜSSELT)

Visionen und Revisionen...

Die harten Daten aus den USA haben den Weg gewiesen. Die Schätzungen des annualisierten BIP-Wachstums für das laufende Quartal liegen derzeit bei über 5% - kein schlechter Wert für eine Wirtschaft, die angeblich seit Anfang 2022 am Rande einer bedeutenden Rezession steht. Diese Entwicklung war von Verbrauchern angetrieben, deren Finanzen nicht besonders angespannt sind, deren Reallöhne wieder steigen und deren Stimmung möglicherweise die Talsohle erreicht hat.

Die Daten aus dem Vereinigten Königreich waren ebenfalls überraschend - nicht, weil das Wachstum so stark ist, sondern weil die Erwartungen so hartnäckig pessimistisch waren und die offiziellen Statistiker zugegeben haben, dass sie ihre Daten für die Produktion wahrscheinlich zu niedrig erfasst haben (hier ist das letzte Wort vielleicht noch nicht gesprochen). Aber selbst das BIP der Eurozone ist um eine oder zwei Dezimalstellen höher ausgefallen als erwartet (und wurde zudem leicht nach oben korrigiert - wobei auch hier nicht das letzte Wort gesprochen sein dürfte). Sowohl im Vereinigten Königreich als auch in der Eurozone dürften auch die Reallöhne wieder steigen, ebenso wie in den USA.

Kurzfristige Wachstumsüberraschungen würden sich jedoch in der Regel in Erwartungen höherer kurzfristiger Zinssätze niederschlagen, nicht in höheren Renditen am langen Ende der Kurve. Die Prognosen der meisten Ökonomen sind längerfristig nach wie vor düster (aus wenig gutem Grund, wie wir oft feststellen, aber das ist ein anderes Thema). In der Tat reagieren die meisten Experten auf kurzfristig gute Nachrichten, indem sie ihre längerfristigen Prognosen nach unten korrigieren. Und wenn uns die jüngste Widerstandsfähigkeit auch weniger überrascht - wir sind seit langem der Meinung, dass ein erheblicher Konjunkturabschwung weder notwendig noch wahrscheinlich ist - sind wir sicherlich noch nicht über den Berg.

Monetäre Verzögerungen: lang, variabel - und wirkungslos?

Die zeitlichen Verzögerungen zwischen Änderungen der Leitzinsen und ihrer Auswirkung auf die Wirtschaftstätigkeit sind bekanntlich «lang und variabel». Wenn der grosse Einschlag der Geldpolitik in Wirklichkeit noch vor uns liegt, was die gängige Meinung ist, könnten eine deutlichere Abschwächung des US-Wachstums und zumindest einige weitere Turbulenzen an den Finanzmärkten noch in diesem Jahr bevorstehen. Dann würden wir vielleicht auch zu dem Schluss gelangen, dass in einem solchen Fall die Verzögerungen so lang und variabel sind, dass der Versuch einer zyklischen Feinabstimmung der Zinssätze ziemlich sinnlos ist. Um es ganz klar zu formulieren: Die Geldpolitik ist möglicherweise nicht zweckmässig für ihre Ziele - ein Punkt, auf den wir noch zurückkommen werden.

Wenn es aber nicht die längerfristigen Wachstumsaussichten sind, die die längerfristigen realen Renditen in die Höhe treiben, was könnte es dann sein? Vielleicht sind die Zentralbanken, die hart daran gearbeitet haben, ihre Glaubwürdigkeit wiederzuerlangen, irgendwie auf das «richtige» Niveau der langfristigen Zinssätze gestossen und haben sich, indem sie die kurzfristigen Zinssätze auf dieses Niveau anhoben, ein wenig «vor die Kurve» geschlichen, die sie jetzt wieder einholt?

Reale Renditen und die gravitative Anziehungskraft der Unternehmensrentabilität

Am wahrscheinlichsten ist, dass wir uns einfach inmitten einer laufenden Neubewertung des Wertes auf einem Anleihenmarkt befinden, der seit langer Zeit stark verzerrt ist (am offensichtlichsten durch die Käufe der Zentralbanken, die jetzt aufgelöst werden). Die Argumente für einen dauerhaft niedrigeren «Gleichgewichtszins» (oft als «r-Stern - r*» bezeichnet) waren schon immer fragwürdig, und mit der Beseitigung der Verzerrungen könnte sich die Anziehungskraft der Konjunktur wieder durchsetzen.

Ein höherer Trend beim Wirtschaftswachstum wäre eine mögliche Quelle für eine solche Anziehungskraft, aber wie bereits erwähnt - hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Eine weitere Anziehungskraft könnte jedoch von einer Quelle ausgehen, die in den aktuellen Daten bereits gut verankert ist, nämlich der Rentabilität der Unternehmen.

Es gibt keine restlos überzeugenden Theorien darüber, warum die Zinssätze so sind, wie sie sind, warum das Angebot und die Nachfrage nach Krediten so sind, wie sie sind. Aber in einem gewissen, tieferen Sinn kann die Rendite des Produktivkapitals etwas damit zu tun haben.

In diesem Modell bildet die Produktivität des Betriebsvermögens eine so genannte «Produktionsgrenze», die zeigt, wie der Wert von heute in den Wert von morgen umgewandelt werden kann - die Rate der «Wertschöpfung». Die Tangente zwischen dieser konvexen Grenze und unserer kollektiven «Zeitpräferenz» - der Rate, mit der wir unbewusst eine ungewisse Zukunft abzinsen - ist der Punkt, an dem die Zinssätze bestimmt werden.

Kurz gesagt: Wenn Betriebsvermögen nachhaltig hohe reale Renditen abwerfen, sollte das bei verleihbaren Mitteln dann nicht auch der Fall sein? Eine gewisse Risikoanpassung wäre erforderlich, dennoch sollten sich diese Grössen im Laufe der Zeit wieder in die gleiche Richtung bewegen.

Abbildung 2 zeigt die Eigenkapitalrendite (RoE) in den USA - Unternehmenserträge im Verhältnis zum Buchwert des Aktionärsvermögens - neben den Renditen 10-jähriger Anleihen, jeweils abzüglich der aktuellen VPI-Inflation (im Jahresvergleich). Seit drei Jahrzehnten bewegt sich die an dieser realen Eigenkapitalrendite gemessene Rentabilität im zweistelligen Bereich (genauer gesagt bei 11%), während die realen Renditen der Anleihen immer weiter gesunken sind. Natürlich kann nicht der gesamte Rückgang auf die Käufe der Zentralbanken zurückgeführt werden, sondern es waren über weite Strecken auch andere, nichtwirtschaftliche Ströme im Spiel, darunter das auf die Passivseite ausgerichtete Liability-Driven-Investing (LDI), der Leistungsbilanzüberschuss Chinas und eine gewisse Verlangsamung des wahrgenommenen Trendwachstums.

Der Abstand verringert sich nun. Für einige könnte dies beunruhigend sein: Wenn die Rentabilität der Unternehmen nur deshalb so robust war, weil die realen Renditen zurückgingen, könnte sie jetzt ins Stocken geraten. Wenn die Rentabilität jedoch unabhängig von solchen Dingen wie dem sich ständig weiterentwickelnden Produktzyklus (mit zunehmend immateriellen Produkten, die ebenso immaterielle Bilanzen erfordern), Innovation und (so weit hergeholt es auch klingen mag) aktiver Unternehmensführung angetrieben wird, muss das nicht so sein.

Eine ganze Generation von Experten hat sich über die Rentabilität der US-Unternehmen geirrt und erwartet, dass sie sich mindestens in den letzten drei Konjunkturzyklen «zurück zum Mittelwert» bewegen würde. Was, wenn sie gesund bleibt und stattdessen die niedrigen Renditen mitzieht? Was, wenn das der Mittelwert ist, zu dem sie nach den wertvernichtenden 1970er Jahren zurückgekehrt ist?

Was bedeutet das für die Anleger?

Was auch immer die Ursachen sein mögen, die heutigen Anleiherenditen sind im historischen Vergleich immer noch unauffällig: Es wäre töricht, jetzt schon «feste Grenzen» zu erwägen. Nachdem die Renditen in den letzten Jahren in jeder Hinsicht unter dem fairen Wert lagen, könnten sie jetzt leicht eine Zeit lang überschiessen. Aber der Wert kehrt zurück, und mehr Anleihen bieten plausibel positive reale Renditen.

Aktien sind nicht teuer und können (unserer Meinung nach) mit einer Rendite der US-Staatsanleihen von 4-5% leben. Genauso wie die Anleiherenditen überschiessen können, kann das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) der Aktien leicht zu niedrig werden, und als Anlage mit längerer Laufzeit sind Aktien meist am volatilsten. Und die gestiegenen Anleiherenditen erweisen sich als Anlage zunehmend konkurrenzfähig.

Die potenzielle Volatilität von Aktien kann jedoch in beide Richtungen gehen - und der gesunde Trend bei der Eigenkapitalrendite deutet darauf hin, dass sich nicht der gesamte Bewertungsanstieg der letzten dreissig Jahre mit den niedrigeren Zinssätzen erklären lässt. Wir sind der Meinung, dass der zyklische, risikofreudige Zug noch nicht abgefahren ist, und wir wollen mit beiden Beinen an Bord sein, wenn er abfährt. Wir sind der Meinung, dass eine Mischung aus gedämpfter Inflation, wirtschaftlicher Widerstandsfähigkeit und anhaltender Rentabilität der Unternehmen die Aktien letztendlich am stärksten begünstigen wird, wenn wir den Sommerblues hinter uns lassen.

DIE ANZIEHUNGSKRAFT DER UNTERNEHMENSRENTABILITÄT

Update zur Inflation

Die Gesamtinflationsraten sind im Laufe dieses Jahres deutlich gesunken, während sich die Kerninflation (ohne Lebensmittel und Energie) als hartnäckiger erwiesen hat, insbesondere in Europa.

USA

Das Inflationsumfeld in den USA ist wohl das im Vergleich ermutigendste. Die Gesamtinflation ging im Juli im Jahresvergleich auf 3,2% zurück, während die Kerninflation schon seit September letzten Jahres rückläufig ist und derzeit bei 4,7% liegt. Der Beitrag von drei der vier wichtigsten VPI-Kategorien - Nahrungsmittel, Energie und Waren – lag im Juli sogar netto knapp unter null (Abbildung 3). Die Energiedeflation könnte sich im Laufe dieses Jahres umkehren, wenn die günstigen Basiseffekte nachlassen - die Ölpreise begannen ihren starken Rückgang im Juni 2022. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass sie zu einem bedeutenden Inflationsrisiko wird, da der Ölpreis weiterhin deutlich unter den Höchstständen des letzten Jahres liegt.

Stattdessen erwies sich in den letzten Monaten der Dienstleistungssektor als Haupttreiber der Gesamtinflation (und der Kerninflation). Die Inflation im Dienstleistungssektor macht fast 60% des gesamten VPI-Warenkorbs aus, wobei der grösste Teil davon auf die Kosten für Wohnen (im Eigenheim und zur Miete) entfällt. Die Inflation beim Faktor Wohnen ist bisher nur geringfügig gestiegen, allerdings hinkt sie der Entwicklung der Hauspreise und der Mietkosten aufgrund von Messunterschieden hinterher: Der VPI erfasst die durchschnittlichen Kosten für den gesamten Wohnungsbestand über die letzten zwölf Monaten und nicht nur die Kosten der Transaktionen des letzten Monats. Der Anstieg der Preise für Wohnimmobilien in den USA hat sich ins Negative gedreht, während das Wachstum der Mietkosten zu den Raten von vor der Pandemie zurückgekehrt ist (Abbildung 4), so dass die Inflation für den Faktor Wohnen - und Dienstleistungen - im weiteren Verlauf dieses Jahres weiter nachlassen dürfte.

update zur Infaltion

Europa

Die Inflationsdynamik in Europa scheint hartnäckiger zu sein, wobei die Kerninflation in der Eurozone und im Vereinigten Königreich ihren Höchstwert noch nicht endgültig erreicht hat (Abbildung 5).

Es ist vielversprechend, dass die Raten der Gesamtinflation stark zurückgegangen sind: In der Eurozone um die Hälfte auf 5,3% und im Vereinigten Königreich auf 6,8%. Diese Entwicklung ist vor allem auf die Energiedeflation zurückzuführen: Die staatlichen Energiepreisobergrenzen sind angesichts des Einbruchs der Grosshandelspreise für Erdgas weiter gesunken. Die Lebensmittelinflation, die andere wichtige Komponente, schwächt sich ebenfalls allmählich ab und dürfte sich im weiteren Verlauf des Jahres weiter in diese Richtung bewegen. Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen liegen die Grosshandelspreise für Lebensmittel weltweit um mehr als 20% unter dem Höchststand des vergangenen Jahres.

Dennoch halten sich die VPI-Raten für Waren und auch für Dienstleistungen hartnäckiger. Das VPI für Waren ist leicht gesunken, wenn auch in der Eurozone deutlicher als im Vereinigten Königreich, während die Produktionskosten für die Hersteller sinken und der Druck auf die globalen Lieferketten nachlässt. Besorgniserregender ist allerdings, dass die Dienstleistungsinflation ihre Höchstwerte sowohl im Vereinigten Königreich als auch in der Eurozone noch nicht erreicht hat, was wahrscheinlich auf das über dem Trend liegende Nominallohnwachstum zurückzuführen ist.

Die Lohndynamik im Vereinigten Königreich ist weiterhin am besorgniserregendsten: Das reguläre Lohnwachstum steigt nominal weiter an, während die reale (inflationsbereinigte) Lohnentwicklung in diesem Jahr nach oben drehen dürfte (Abbildung 6). Eine gefährlichere Lohn-Preis-Spirale im Stil der 1970er Jahre erscheint uns jedoch nach wie vor unwahrscheinlich: Die Arbeitsmärkte haben sich seitdem strukturell verändert - der Grad der gewerkschaftlichen Organisation ist beispielsweise heute weitaus geringer - und der Grossteil des anhaltenden Lohnanstiegs dürfte auf das Timing zurückzuführen sein (es hat möglicherweise etwas gedauert, bis die Lohnabschlüsse umgesetzt wurden).

Es ist vielversprechend, dass die Gesamtinflationsraten stark zurückgegangen sind: in der Eurozone um die Hälfte auf 5,3% und im Vereinigten Königreich auf 6,8%.

Rothschild & Co

Schwellenländer

Auch die Inflationsentwicklung Chinas war im Blickpunkt, nachdem die Gesamtinflationsrate im Juli ausnahmsweise in den Bereich der Deflation gerutscht war und im Jahresvergleich bei -0,3% lag (Abbildung 7). Deflation ist aber nicht gleichbedeutend mit einem Zusammenbruch der Binnennachfrage, hier war ein starker Rückgang der Lebensmittelpreise die Ursache. Die Kerninflation ist im Juli sogar gestiegen, und auch der Erzeugerpreisindex (PPI) hat eine vorläufige Talsohle erreicht.

Im breiteren Umfeld der Schwellenländer lagen die Gesamtinflationsraten wesentlich höher: Unsere BIP-gewichtete Aggregierung¹ stieg im Juli auf über 7% (wobei es immer noch 3,5 Prozentpunkte unter dem Höchststand des letzten Jahres lag). Die Inflationszyklen entwickeln sich jedoch von Region zu Region sehr unterschiedlich, was zum Teil auf die Unterschiede bei den Grundnahrungsmitteln zurückzuführen ist - die Inflationsraten in Entwicklungsländern reagieren in der Regel stark auf die Lebensmittelpreise, wobei die Inflationszahlen in Ländern, in denen Reis das Hauptnahrungsmittel ist, relativ niedrig sind, während sie in Ländern, die hauptsächlich Weizen konsumieren, höher ausfallen. Allerdings sind die Reispreise in Thailand in diesem Jahr stark gestiegen, daher könnte in einigen asiatischen Schwellenländern erneut ein Preisdruck entstehen (Abbildung 8).

Fazit

Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Inflation in den nächsten zwölf Monaten nachlassen und sich schliesslich im Bereich von 2 bis 4% über dem langfristigen Durchschnitt einpendeln wird. Die Kerninflation wird sich aufgrund der starken Lohnwachstumsdynamik wahrscheinlich langsamer abschwächen. Infolgedessen müssen die Zentralbanken möglicherweise an ihrer «länger - höher»-Haltung festhalten, über das hinaus, was die Geldmärkte derzeit einkalkulieren.

Rothschild & Co

[1] Die Datenreihe für die Schwellenländer ist ein BIP-gewichteter Durchschnitt von China, Indien, Indonesien, Korea, Malaysia, den Philippinen, Taiwan, Thailand, Vietnam, der Tschechische Republik, Ägypten, Griechenland, Ungarn, Polen, Russland, Südafrika, der Türkei, Brasilien, Chile, Kolumbien und Mexiko

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