Wirtschaftliche Ängste haben sich in Groll verwandelt – das ist die zentrale Erkenntnis des Edelman Trust Barometers 2025

Ein Gastbeitrag von Richard Edelman, CEO Edelman

 

Rothschild & Co

Richard Edelman ist der CEO von Edelman, einem globalen Kommunikationsunternehmen, und Vorsitzender der Daniel J. Edelman Holdings, der Holdinggesellschaft des Unternehmens. Edelman wurde 1952 von seinem Vater Dan gegründet und ist nach wie vor unabhängig und in Familienbesitz mit mehr als 6.000 Mitarbeitern in 66 Büros in 28 Ländern.

Wir beobachten eine tiefgreifende Veränderung der öffentlichen Stimmung, die über politische Polarisierung hinausgeht und in eine aggressive Verteidigung eigener Interessen übergeht. Während der Wahlen des vergangenen Jahres haben Bürger:innen weltweit ihre Stimmen gegen Unternehmen, Regierungen und Wohlhabende erhoben. In westlichen Demokratien, darunter die USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Kanada, wurden Amtsinhaber:innen abgewählt. Unternehmen geraten zunehmend unter Druck, wenn sie sich in gesellschaftliche Themen einbringen – von Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) bis hin zur Nachhaltigkeit.

Groll entsteht aus der Überzeugung, dass das System unfair ist, dass Unternehmen und Regierungen die Situation verschlimmern und dass die Reichen immer wohlhabender werden. Ein wachsendes Gefühl der Entfremdung ist so tief verankert, dass fast zwei Drittel der Befragten inzwischen Angst haben, diskriminiert zu werden – ein Anstieg um 10 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Selbst Besserverdienende fühlen sich zunehmend bedroht – ihre Angst, Opfer von Diskriminierung zu werden, ist um 11 Punkte auf 62 % gestiegen. Drei Viertel der Befragten machen sich Sorgen, dass ihre Löhne nicht mit der Inflation Schritt halten. Es gibt große Bedenken hinsichtlich des Arbeitsplatzverlusts durch Innovationen wie Automatisierung, über die sich 58 % der Angestellten Sorgen machen, sowie durch Globalisierung – 62 % fürchten, dass internationale Handelskonflikte ihre wirtschaftliche Existenz gefährden könnten.

Diese Entwicklungen basieren auf vier Voraussetzungen, die sich in den letzten zehn Jahren aufgebaut haben:

Die erste ist der weit verbreitete Mangel an Glauben an eine bessere Zukunft. Nur ein Drittel der Befragten glaubt, dass es der nächsten Generation besser gehen wird. In jeder westlichen Demokratie liegt dieser Wert bei 30 % oder weniger. In Deutschland glauben nur 14 % der Menschen, dass es der nächsten Generation besser gehen wird. In Frankreich sind es nur 9 %.

Zweitens hat sich die Vertrauenslücke zwischen den obersten und untersten Einkommensgruppen vergrößert. Befragte mit niedrigem Einkommen haben deutlich weniger Vertrauen in Institutionen als das oberste Quartil. So vertrauen beispielsweise nur 48 % der Befragten mit niedrigem Einkommen Institutionen, wenn man das Vertrauen in Unternehmen, Regierungen, Medien und NGOs im Durchschnitt betrachtet, verglichen mit 61 % der Besserverdienenden. Bei Unternehmen ist die Kluft am größten – hier gibt es eine Vertrauenslücke von 16 Punkten zwischen den höchsten und niedrigsten Einkommensgruppen.

Wir sehen jetzt eine Nullsummen-Mentalität, die extreme Maẞnahmen wie Gewalt und Desinformation als Mittel zur Veränderung legitimiert.

Drittens haben institutionelle Führungspersonen ihre Verantwortung nicht wahrgenommen. Weltweit machen sich zwei Drittel der Befragten Sorgen, dass Journalist:innen, Regierungsvertreter:innen und CEOs absichtlich lügen.
Viertens gibt es immer weniger allgemein anerkannte Fakten. Fast zwei Drittel der Befragten haben Schwierigkeiten, zwischen Nachrichten aus einer zuverlässigen Quelle und Desinformation zu unterscheiden. Die Entscheidung sozialer Netzwerke, sich von der Faktenprüfung zu distanzieren, wird die ohnehin chaotische Medienlandschaft weiter verkomplizieren.

In den letzten zehn Jahren hat sich die Gesellschaft von Ängsten über Polarisierung zu Unzufriedenheit entwickelt.

Unsere kollektiven Beschwerden erstrecken sich von wirtschaftlichen über politische bis hin zu gesellschaftlichen Themen.


Die meisten Menschen empfinden Groll gegenüber Eliten und Institutionen. 61 % der Befragten haben ein moderates (41 %) oder hohes (20 %) Maß an Groll, definiert als das Gefühl, dass Unternehmen und Regierungen ihr Leben erschweren und nur engen Interessen dienen, während das System die Wohlhabenden begünstigt und normale Menschen kämpfen. Diese Überzeugung ist unter Anhänger:innen der Linken weiter verbreitet als unter denen der Rechten (69 % auf der linken Seite im Vergleich zu 57 % auf der rechten Seite) und unter älteren Menschen stärker ausgeprägt als unter jüngeren (66 % der über 55-Jährigen im Vergleich zu 58 % der 18- bis 34-Jährigen). Die Mehrheit der Menschen mit starkem Groll verfolgt eine Nullsummen-Denkweise: Wenn jemand anders politisch gewinnt, bedeutet das für mich einen Verlust.

Wohlhabende werden als destruktive Kraft in der Gesellschaft wahrgenommen. Zwei Drittel der Befragten sind der Meinung, dass Wohlhabende nicht angemessen besteuert werden und dass Gesetze, die den Wohlhabenden dienen, zum Nachteil von „Menschen wie mir“ erlassen werden. Wenn man all diese Beschwerden zusammenzählt, glauben viele, dass der Kapitalismus gescheitert ist. Mehr als die Hälfte der Befragten ist der Meinung, dass der Kapitalismus mehr Schaden als Nutzen bringt – 53 % der allgemeinen Bevölkerung, einschließlich 55 % der 18- bis 34-Jährigen.

Viele Menschen empfinden zudem, dass die bestehenden politischen Systeme nicht mehr funktionieren. Nur ein Drittel der Befragten glaubt, dass Menschen mit anderen politischen Ansichten sich an die Regeln halten, und weniger als die Hälfte (44 %) vertraut Menschen mit anderen politischen Überzeugungen. Regierungen werden in 17 der 28 untersuchten Länder misstraut. Und für viele scheint Gewalt eine legitime Option zu sein. Mehr als die Hälfte der jungen Menschen befürwortet mindestens eine der folgenden Methoden des feindseligen Aktivismus, um Veränderungen herbeizuführen: Online-Angriffe auf Menschen, absichtliche Verbreitung von Desinformation oder die Androhung bzw. Anwendung von Gewalt gegen Menschen oder Eigentum.

Nationen mit geringem Vertrauen zeigen höhere Groll-Werte, und die Wiederherstellung dieses Vertrauens ermöglicht den Glauben an eine bessere Zukunft. In Deutschland vertrauen im Durchschnitt nur 41 % der Menschen Institutionen, während 69 % der Befragten ein moderates oder höheres Maß an Groll empfinden. In Singapur hingegen liegt das Vertrauen in Institutionen bei 65 %, während nur 39 % der Bevölkerung Groll hegen. Dies zeigt eine deutliche inverse Beziehung: Je größer das Vertrauen in Institutionen, desto geringer ist der Groll in einer Gesellschaft.

Unternehmen sind zur Standardlösung für gesellschaftliche Themen geworden, da viele Menschen sie als kompetenter (+48 Punkte) und ethischer (+29 Punkte) als die Regierung wahrnehmen. Doch Unternehmen allein fehlt die Autorität, um Veränderungen anzuführen, da die Wahrnehmung ihrer ethischen Integrität sinkt, je größer der Groll ist. Unternehmen haben das Potenzial und weitgehend die Zustimmung der Öffentlichkeit, sich mit gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen.
Auch die anderen drei großen Institutionen haben die Möglichkeit, gesellschaftlichen Groll zu adressieren. Dies ist der Moment für NGOs, als ethische Führungskraft zu agieren – sie sind die einzige Institution, die bei Menschen mit hohem Groll als einigende Kraft wahrgenommen wird und in dieser Gruppe das höchste Vertrauen genießt. Regierungen müssen ihre Kompetenz erneut unter Beweis stellen und Ergebnisse liefern, die den Bürger:innen direkt zugutekommen. Und Medien müssen qualitativ hochwertige Informationen bereitstellen, die fundierte Entscheidungen ermöglichen, anstatt nur auf Klicks zu setzen.

Wir müssen uns von einer gesellschaftlichen Entwicklung entfernen, in der Ideologie zur Identität wird und Gewalt als legitime Option betrachtet wird. Alle vier großen Institutionen müssen ihren Beitrag leisten. Unternehmen werden in den kommenden Monaten die Möglichkeit haben, mit den neuen Regierungen großer Demokratien an zentralen Themen wie Handel, Energieversorgung und Umschulung zusammenzuarbeiten. All dies wird in einer zunehmend chaotischen Medienlandschaft diskutiert werden, was Geschwindigkeit und Fakten umso wertvoller macht. Unser Ziel muss es sein, den Menschen ein Gefühl der Kontrolle über ihre Zukunft zu geben und Wandel als Chance statt als Bedrohung zu gestalten.

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